Mittwoch, 04. Aug 2021, 16:33 Uhr
Im Juli nahmen Annika Kemper und Jens Krees an der Contender-Europameisterschaft in Warnemünde teil. Ursprünglich sollte diese Regatta die Weltmeisterschaft sein, aber aufgrund der Coronasituation gab es ein Downgrade zur EM. Hier ein Bericht der beiden SKBUe-Leistungssegler.
Vermessung:
Annika segelt erst seit Anfang des Jahres Contender und somit war die Vermessung die erste für sie mit dem neuen Boot. Leider war das Boot etwas zu leicht und ausgerechnet Extrablei hatte nicht den Weg in die Werkzeugkiste gefunden. Dafür konnte Annika so direkt die Hilfsbereitschaft der Contenderklasse kennenlernen und ihr Boot auf Optimalgewicht bringen. Jens startete mit der EM in die 13. Contender-Saison und ließ die hervorragend organisierte Vermessung, bei der die Segler ihren Zeitslot online buchen konnten, unaufgeregt über sich ergehen.
Das anschließende Practice Race wurde zwar aufgrund von Flaute bereits kurz nach dem Start abgebrochen, aber für einen Check, ob alles wieder richtig zusammengebaut ist, reichte es.
Tag 1:
Die Bedingungen waren schwierig. Ablandiger Südwind mit 12 bis 18 Knoten und entsprechend vielen Dreher – das ist ja nicht unbedingt das, womit man in Warnemünde rechnet.
Annika setze sich als Meilenstein bei ihren ersten Rennen einfach "nur" ins Ziel zu kommen. Bei beiden Rennen kenterte sie schon an der Startkreuz und verlor so schnell den Kontakt zum Feld, aber sie schaffte das Zeitlimit und kam mit dem Gefühl, viel gelernt zu haben zurück an Land. Für Jens war der erste Lauf der EM die Rückkehr ins Regattageschehen seit dem Martinspokal am Elfrather See im Herbst 2019. Zwar untrainiert, aber auch ohne Druck und mit viel Lust aufs Segeln waren Platz 15 im ersten Lauf und Rang 20 am Ende von Tag 1 eine runde Sache. Oder mathematisch auf die kurze Formel gebracht: Bock > Training.
Tag 2:
Der Tag begann mit Startverschiebung, die Stundenweise verlängert wurde. Als feststand, dass keine Thermik mehr entstehen würde, waren Strand- bzw. Familientag angesagt.
Tag 3:
Wie an Tag 1 wehte wieder drehender Südwind, allerdings mit nur maximal 8 Knoten. Der Wind spielte Annika in die Karten und sie konnte im Mittelfeld mitspielen. Allerdings passte das Speed-/Höhe-Verhältnis auf der Kreuz nicht immer, sodass noch einige Plätze auf der Strecke blieben. Außerdem war das Feld sehr dicht beisammen, sodass jeder kleine Fehler mit einigen Plätzen bestraft wurde. Im zweiten Rennen waren Annika und Jens etwas übermotiviert am Start: BFD – disqualifiziert wegen Frühstarts. Aber wie heißt es so schön: Wer nie zu früh startet, startet immer zu spät…
Anders als bei anderen großen Regatten, wo häufig die Startkreuz gut läuft und dann die Verfolger überholen, gelangen Jens an diesem Tag auch kleinere Aufholjagden, wenn es auf der ersten Kreuz mal nicht klappte. Leichter Wind mit Löchern und Drehern – da hat sich das Training in jungen Jahren am Elfrather See vielleicht ja doch gelohnt!
Tag 4:
An diesem Tag kamen ca. 12 bis 15 Knoten Wind aus Norden, wodurch sich eine kleine Welle bildete – endlich mal Ostsee-Feeling!
Annikas Eindruck vom ersten Tag, dass sie viel gelernt hat, täuschte nicht und sie hatte das Boot wesentlich besser unter Kontrolle. Die Startkreuz war jeweils ganz gut im Mittelfeld, aber im Verlauf der Rennen summierten sich die ein oder anderen Handlingfehler und Speeddefizite, sodass sich am Ende eher die hinteren Plätze auf der Ergebnisliste fanden.
Im zweiten Rennen versuchte sie einen Steuerbordstart. Die Idee war gut, aber Annika merkte nicht, dass sich die Schot um die Hand gewickelt hatte, wodurch sie die Schot in einer Bö kombiniert mit Ausweichmanöver nicht fieren konnte und unkontrolliert beim Kentern mit dem Knie auf das Schwert fiel. Deshalb war im 2. Rennen des Tages eine Pause angesagt – ist ja immer schön, wenn der Schmerz nachlässt… Aber im dritten Rennen biss sie Zähne zusammen und segelte wieder mit.
Für Jens war das ein seltsamer Tag: Gleichmäßige 4-5 Beaufort – was willst du mehr? Gut starten, freien Wind suchen, das Boot fühlen und nach Speed fahren. Ärgerlich ist ja nur, wenn du für zwei Drittel des Rennens Platz 5 und Platz 7 hältst, du auf der letzten Runde einbrichst und am Ende nur zwei Mal Platz 22 zu Buche steht. Ist das die mangelnde Wettkampfpraxis und die daraus folgende fehlende taktische Kaltschnäuzigkeit?
Tag 5:
Der letzte Tag der Europameisterschaft startete wieder mit Startverschiebung, allerdings wegen zu viel Wind bzw. zu großer Welle. Zwei Stunden später als geplant schickte die Wettfahrtleitung die Contender aus dem Hafen für das finale Rennen der EM und kündigte 15-18 Knoten Wind und 1 Meter Welle aus West an, in Böen aber auch 25 Knoten und mehr. Für Annika, die vor der Europameisterschaft keine zehn Male Contender gesegelt ist, waren die Bedingungen zu hart und sie blieb – wie knapp die Hälfte des Feldes – an Land.
Wind und Welle waren beim Anluven hinter dem charakteristischen grünen Leuchtfeuer der Hafenansteuerung dann auch beeindruckend. Nach drei, vier vorsichtigen Wenden auf der Bahn angekommen war weiteres Warten angesagt: Wo bleibt das Startschiff? Das Warten vertrieb Jens sich mit einigen kraftraubenden Kentereinlagen. Als die Wettfahrtleitung ihre Segelyacht (deren Ankergeschirr gebrochen war) gegen ein robustes RIB der Marine als Startschiff ausgetauscht hatte, wurde der letzte EM-Lauf gestartet. Gedanklich immer noch im Überlebensmodus, obwohl der Wind – bei gleichbleibend beeindruckendem Wellenbild – in den Spitzen etwas an Biss verloren hatte, war mehr als ein Platz im Mittelfeld nicht drin. Im Endergebnis, weiß Jens, ist ein 25. Platz bei 79 Booten an der Linie ein toller Erfolg, wenn man 45 min. Training auf dem Baggersee als Vorbereitung nach 1,5 Jahren Segelpause berücksichtigt.
Annikas Ziel war es bei der Regatta möglichst viel zu lernen und das hat sie definitiv erreicht. Sie weiß jetzt genau, woran sie im Training arbeiten muss, um bei der nächsten Regatta konstant im Mittelfeld mitzusegeln. Mit Platz 5 in der Damenwertung und dem Vizejugendeuropameistertitel in der Tasche ist mehr als genug Motivation vorhanden.